Ausstellungskonzept zu
„Surviving evil- Gewalt überleben und hinter sich lassen“
Ob in der U-Bahn, beim Einkaufen, am Arbeitsplatz oder in Freundeskreis und Familie, es gibt viele kleine, alltägliche Formen der Gewaltanwendung: nicht zuhören- oder ausreden lassen, jemanden ignorieren, verspotten oder beleidigen. Die meisten von uns haben gelernt damit umzugehen, sich zu behaupten. Aber es lässt in Körper, Geist und Seele eine feine Spur zurück, kleine Splitter, die durchaus ihre Wirkung tun.
Was wird dann vergleichsweise in einem Menschen ausgelöst, der systematisch täglich entmutigt, verhöhnt, gedemütigt, drangsaliert oder gar geprügelt wird? Was geschieht mit seinem Selbstwert, dem Vertrauen in sich und andere und was macht das mit seinem Denkvermögen, der Konzentration und Leistungsfähigkeit? Was geschieht mit dem Können, sich selbst zu beschützen? Wie viel Selbstachtung, Gesundheit und Lebensfreude bleiben am Ende eines solchen Tages noch übrig?
Wenn eine Frau nach und nach verschwindet, ihr Herz vereist und die natürliche Freude an Nähe und Sexualität stirbt: in welchen Nischen überlebt sie? Wie viel Mensch existiert dann noch?
Die Ausstellung wagt das Experiment, rationale Fakten so zu übersetzen, dass sie als sinnliche Erfahrung körperlich spürbar werden. So wird Empathie mit gewalt-betroffenen Frauen möglich, ohne selbst in einer Gefahrenzone zu stehen. Es wird eine Entwicklung aufgezeigt, die Impulse setzen, den Kopf informieren, das Herz öffnen und Mut machen möchte, Auswirkungen von Gewalt auf den Menschen besser zu verstehen um in einen ganz eigenen Weg der Stärke und Lösung hinein finden zu können.
Am Tag der Ausstellungseröffnung wurde eine „Herzschlagreise“ mit den Besuchern erlebt: mit vier verschiedenen Herzfrequenzen wurden in dieser Performance jeweils eine negative und eine positive kurze Geschichte erzählt. Rein Funktional betrachtet waren Atmung und Herzschlag jedesmal gleich aber das Gefühl das in Seele und Körpergedächtnis zurückgelassen wurde war sehr unterschiedlich. Dieses Experiment wollte veranschaulichen, welche Kraft Emotionen für das feine System „Mensch“ haben.
Es ist ausdrücklich erwünscht, dass die Besucher die Installationen berühren oder ausprobieren.
Diese Ausstellung ist gewidmet allen Menschen, besonders aber den Frauen, die Gewalt überlebt und hinter sich gelassen haben!
Seid stolz auf Euch!
Konzeption, Texte und Installationen: Leonne Marti ©
Was siehst
Du?
Wir nehmen eine Vielzahl von Eindrücken und Informationen wahr, Tag für Tag. Wir speichern sie ab in unserem geistigen Gedächtnis, im Körpergedächtnis, in unserer Seele.
Alle diese "inneren Bilder" entscheiden über die Art unserer Wahrnehmung.
Wie sieht ein unbelasteter Blick aus?
Du siehst hier: unbelasteter Blick, traumatiserter Blick, Tunnelblick und Flash-back.
Wackelbrett
Lautes Anschweigen, beharrliches Ignorieren oder herumbrüllen ist wie ein Schlag. „Du, blöde Kuh, jetzt reiß dich endlich mal zusammen“. Jedes Wort ein Schlag. Jede einzelne Ohrfeige oder Prügel, immer wieder: ein Schlag.
Wie viele „Einschläge“ hält ein Mensch aus, bis die Haut reißt, die Nerven blank liegen, die Seelenstruktur krachend auseinanderbricht? Die Abstände Bedrohung – Ruhe – Bedrohung werden immer kürzer, die Angst vor dem anderen Menschen immer größer, das geschundene ich immer kleiner … und alles vibriert:
Zellwasser, Blut, Lymphe, das in Stücke geschlagene Vertrauen ebenso.
Ungefährliche
Nähe, liebevolle Wärme, stabile Geborgenheit und das zuverlässige Wissen: „Ich kann Dir, Partner, meine Haut anvertrauen, das braucht jeder von uns! Aber wie gefährlich ist der nächste Mensch, der Dir
begegnet? Wie unberechenbar, wie bedrohlich sind seine Worte, seine Taten für Dich? Dein Tag könnte kippen jederzeit.
Wie fühlt sich das an?
Welchen Menschen macht dieses Erleben aus Dir?
Was brauchst Du, um Dich zu kräftigen?
· Was macht Dich wieder sicher, gibt Vertrauen zurück?
· Was brauchst Du für einen guten Stand?
Wartet hinter Deinen Kippmomenten, vielleicht, eine neue Stabilität auf Dich? Trau Dich, stell Dich doch mal auf das Wackelbrett!
Spüre, und finde es heraus.
Jeannie in der Flasche
Es gab einmal Zauber in Deinem Leben. Jetzt hängst Du fest: so eng, so funktional, so fremdbestimmt. Kein vor und kein zurück. Deine beklemmende Alltagssituation schnürt Dir Deine Kraft ab, zermürbt Dich. Du löst dich auf. Stück für Stück.
FRAU, wo bist Du? WO findet Dein Leben statt? WAS findet in Deinem Leben statt? Willst Du das, was mit Dir passiert? Ist das alles, was Du für Dich willst:
keine Bewegung, keine Entfaltung, nur Wände?
Schluss mit Enge und Platzangst, mit erdrückt werden und mundtot sein.
Ich sehe Deinen Fuß wippen! Im Takt Deines Herzens, vielleicht? Deine Beine wollen tanzen, die Lungen wollen ihre 2,8 Kubik Luft zurückhaben, Deine Arme wollen jubeln, Deine Hände träumen davon zu handeln, zu gestalten ganz in Deinem Sinne.
Willst du raus, aus dieser Falle? Ja, Frau, geh’ raus, hol` Dir Hilfe, geh’ zurück in Deine Lebendigkeit, lass Dich befreien und werde frei, sonst stirbst Du. Erst ab und dann ganz.
Kein Mensch sollte verschwinden, während er noch am Leben ist!
Spüre Deine Sehnsucht, komm wieder an in Deiner Mitte und erlaube Dir stark zu sein. Deine Verzweiflung kannst Du hinter Dir lassen.
Das ist keine Zauberei!
Jeannie, Dein Gefängnis ist überwindbar.
Rucksack
Sooo, bitteschön, einmal Tagesration Schwere, aber von der Sorte, die Dich gnadenlos nach unten zieht und Dich dort festhalten will.
Waaas, Du willst nicht? Also, pass mal auf: zuerst kommt eine große Portion Lieblosigkeit hinein und danach folgen, auch in starker Gewichtszahl:
Jähzorn, Verweigerung der Eigenverantwortung, Uneinsichtigkeit, Unberechenbarkeit, Hilfslosigkeit, Ausweglosigkeit usw.
Und ab jetzt ziehst Du diesen Rucksack an jeden Tag, schon morgens beim Aufwachen spürst Du sein Gewicht! Bereits beim Zähneputzen, Kinder und Haushalt erledigen, versorgen bis abends zum ins Bett gehen. NEIN, die Tasche bleibt dran. Im Liegen verteilt sich das Gewicht eben etwas anders, ist aber immer noch vorhanden!
Ach, ein Leben, gezeichnet von Schwere, Schmerz und Verzweiflung willst Du nicht mehr? Du sehnst Dich immer noch nach:
Wertschätzung, Selbstvertrauen, Bedeutung?
Du träumst wieder und wieder davon, Dich dieser alles zermalmenden Schmerzsteine zu
entledigen?
Das ist PRIMA! Das ist richtig GUT!
Weiß Du, dass man Steine auch werfen kann? So richtig mit Schmackes, im hohen Bogen raus aus Deinem Rucksack. Und dann erst mal gaaanz tiiief einatmen, den Moment spüren, der Leichtigkeit, der Befreiung heißt, egal wie klein er auch sein mag. Und dann: Tasche ganz neu packen, so, wie Du es willst, ganz wie Du es brauchst . Angst vor dem eigenen Mut? Macht nix: die Beraterinnen und Sozialarbeiterinnen von z. B der „Matilde e.V.“ helfen Dir sehr gern beim sich Loslösen, beim Sortieren und Neugestalten.
Komm, trau Dich, probier´s einfach aus!
Herz aus Eis
Jeder Schlag eines Herzens versorgt den menschlichen Körper mit Blut. Das ist lebenswichtig.
Die Liebe, gelebt in Wort und Tat, versorgt das Herz mit Kraft, Freude, Zuversicht. Auch das ist lebenswichtig.
Was geschieht mit einem Menschen der in seinem Inneren verhungert, der sich mit jedem Schlag ein Stück weiter von seiner Lebendigkeit entfernt?
Wie viel Kälte kann ein Herz ertragen bevor der Mensch völlig erstarrt?
Was denkst Du? Was fühlst Du?
Wie wäre es Dein(e) beste(r) Freund(in) zu sein?
Du musst nichts leisten um:
· gehört zu werden - höre auf Dich selbst
· geachtet zu werden – beachte Dich selbst
· wertgeschätzt zu werden – erkenne Du Deinen Wert
· unterstützt zu werden – stütze Dich selbst
· respektiert zu werden – respektiere Du Deine Bedürfnisse
· geliebt zu werden – liebe Dich selbst
· Dich, so wie Du bist, schön zu finden – finde Dich selbst
Schmelze das Eis, dass ein anderer um Dein Herz gelegt hat – Du bist nicht die Summe der Entscheidungen, die ein anderer für Dich gefällt hat. Du bist so viel mehr und gehörst nur Dir!
Und dann ….
geh‘ raus, verlass Dein kaltes Haus
und lebe, lebe, lebe Dich
aus Deinem Eis
h e r a u s !
Sieben authentische Geschichten von Frauen, die sich mutig verschiedensten Arten von Belästigungen und Gewalt entgegen gestellt haben, wurden gerahmt an der "Leiter der Heldinnen" befestigt. Jede Einzelne der Frauen wuchs über sich hinaus und gestaltetete so, teilweise zum allerersten Mal, ihr eigenes Happyend.